Veröffentlicht: Freitag, 20. November 2009 08:00Geschrieben von Super User
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14.10.07, 08.00 Uhr, Achtung los – ab geht es durch die Kesselschleuse
auf den Ems-Jade-Kanal. Thorsten Carsjens und Hartmut Schultze starten auf dem
Wasser zeitgleich mit den Läufern,
die sich in dieser frühen Stunde vom Emder Rathaus auf den Langstreckenkurs über 72
Kilometer Asphalt, Schotter, Sand und Betonsteinen auf nach Wilhelmshaven
begeben.
Schwacher Südwest, Boden- oder besser Kanalnebel, liegt über dem Wasser.
Darüber macht sich wie ein Feuerball die Sonne erst zaghaft, dann immer
schneller wachsend bemerkbar. Enten, Gänse, Schwäne schrecken mit hastigen
Flügelschlägen vor den nahenden Ruderern
hoch. Was haben diese Ruderer zu so früher Morgenstunde vor? Vor Ihnen
liegen mehr als 70 Kanalkilometer! Spontan, ohne Vorbereitung, einige Bananen
und zwei Flaschen Wasser an Bord dabei. Mehr Platz bietet die Robbenplate, ein
Doppelzweiter erster Güte, nicht. Thorsten auf Schlag, Hartmut im Bug als
erprobter Crash-Navigator.
Wolthusen, Uphusen, Wrantepott, auf den Brücken grüßende Streckenposten
des Langstreckenlaufs, schauen ungläubig nach. Die Schleuse Rahe, oder besser
Kukelorum, wird kurz nach 09.00 Uhr erreicht. Das Boot läuft
gurgelnd durch den Kanal. Von den Läufern nichts zu sehen. An Durchschleusen zu
dieser Stunde ist nicht zu denken.
Knappe 100 m sind Skulls, Proviant und Boot über das Schleusengelände zu
schultern. Da tauchen die ersten Läufer auf, die winkend und grüßend mit Hallo
vorbei eilen.
Vorbei
am Ruderverein Argo-Aurich, wird die Spitzengruppe der
Läufer wieder eingeholt und der Reiz, schneller zu sein, macht sich mit
härteren Ruderschlägen bemerkbar. Der Abstand zu den Landratten vergrößert sich,
dann verliert sich der Sichtkontakt.
Landschaftlich äußerst reizvoll, zeigt sich der Kanal um Aurich herum von
seiner besten Seite. Beidseitig von hohen Bäumen umgeben, bietet er Natur pur.
Aus Richtung Wiesens machen sich zwei dunkle Punkte auf dem Wasser in Richtung
Aurich bemerkbar, die schnell näher kommen. Zwei Vierermannschaften der Argo-Ruderer
aus Aurich passieren grüßend die Emder. Was für ein Erlebnis – ein gelber Zweier
aus Emden und zu dieser Stunde auf dem Weg in östliche Richtung.
Das
„Verholen“ des Bootes an den Schleusen mit
Aus- und Einsteigen kostet
Zeit und Kraft. Aber das Ziel stets vor Augen, geht es weiter mit Schwung
und guter Laune. Eine nicht endende Gerade liegt vor den Ruderern, an
Marcardsmoor vorbei, Wasser, Wasser
und noch einmal Wasser. Links und rechts Büsche, Bäume in farbenfroher
Herbstpracht. Und noch ‘ne
Schleuse. Anlegen und wieder runter
vom Rollsitz. Boot über Kopf und im Gleichschritt über das Schleusengelände.
Noch 35 Kilometer bis zur Jade. Der
„Zweizylinder“ pflügt unvermindert durch das Kanalwasser. Das rhythmische
Geräusch der Rollsitze auf den Schienen trägt zu gleichbleibenden Ruderschlägen
bei.
Die
Schleuse Wiesede regelt den Höhenunterschied von etwa 5 m Wasserstand. Nun geht es
„bergab“. Die Wasserflaschen sind leer, die Bananen verzehrt. Das monotone
Geräusch der Rollsitze wird plötzlich durch ferne Trommel- und Paukenschläge
unterbrochen. Ohne zu wissen, nähern sich die Ruderer einer Verpflegungsstation
der Langstreckenläufer bei Dykhausen.
Hallo Thorsten – hallo Hartmut! Jann Trauernicht vom ERV steht plötzlich
auf dem Kanaldeich mitten in
Friesland an der Laufstrecke und ist dort als Mitorganisator des
Langstreckenlaufs aktiv. Ausgebrannt sieht er seine Vereinskameraden aus Emden
und ist sofort mit Apfelschorle und Apfelkuchen zur Stelle. Dankbar wird
zugelangt und mit Gruß „Riemen- und
Dollenbruch “ verabschiedet er seine Ruderkamerden gegen 12.30 Uhr auf die restlichen Kilometer bis nach
Wilhelmshaven. So gestärkt werden
die rd. 15 Kilometer aufgenommen.
Von den Langstreckenläufern nichts zu sehen. Doch plötzlich ein , zwei , drei und
mehr Köpfe knapp oberhalb der Deichkrone– mal mehr oder weniger
sichtbar, halten sie Schritt zur Robbenplate. Beflügelt von dem nahenden
Ziel, wird die erneute Herausforderung angenommen. Mit kräftigen Ruderschlägen bis nach
Sanderbusch werden die Läufer erneut abgehängt. Die letzen 5 – 6 Kilometer, dann
ran an den Anleger der Mariensieler Schleuse, Boot wieder über Kopf, im
Gleichschritt vorbei an dem Wilhelmshavener Kanu Klub, bis zum Einsetzen in den
Schlauch des Hafenbeckens von Schlicktown, das weiße Clubhaus des
Wilhelmshavener Ruder Clubs von 1906 e.V. nun schon in etwa 1000 m vor
Augen. Es ist geschafft. Kurz vor
14.00 Uhr ist der Anleger des WRC erreicht. Der Traum von einem Duschbad
erfüllt sich nicht. Türen und Tore des Clubhauses sind geschlossen. Die
Robbenplate abgeriggert, geht es zurück nach Emden.
Die
ersten Läufer erreichen Wilhelmshaven kurz nach 14.00 Uhr. Ein Erlebnis
besonderer Art geht zu Ende. Rudern ist ein naturverbundener Wassersport. Er
verbindet Kraft, Ausdauer und ganz besonders auch Teamgeist. Zu fast allen
Jahreszeiten kann man Flüsse und Seen mit dem Boot erkunden. Wir haben den Kanal
erlebt, wir haben geredet und gesungen. Wir haben Wind, blauen Himmel, weiße
Wolkengebilde, die Herbstsonne pur, grüßende Argo-Ruderer aus Aurich, Angler, Läufer und unseren
Jann Trauernicht mit besonderer Kameradschaft erlebt.