Zur diesjährigen „Muttertagstour“ ging es am ersten Juniwochenende auf nach Emden. Im vergangenen Jahr wurde dieses Treffen von Maren und Elsbe als Zusammenkommen von Frauen verschiedener Rudervereine ins Leben gerufenen und fand zum Muttertag in Kiel statt. Der aufmerksame Leser wird feststellen, dass es sich in diesem zwar nicht um den tatsächlichen Muttertag handelte, aber so ist es im wirklichen Leben doch häufig: Termine werden verschoben, angepasst, aktualisiert und endgültig festgesetzt, um letztlich festzustellen: alle bekommen wir nicht unter einen Hut. Na, macht nichts, in diesem Fall hatte ich das Vergnügen dafür kurzfristig einspringen zu dürfen zu einem Wanderruderwochenende in Emden.

Freitagmorgen acht Uhr auf dem Kieler Hauptbahnhof trafen sich die vier Germaninnen Elsbe, Maren, Gisela P. und ich, um uns ins unbekannte Ostfriesland aufzumachen.

Strecke Kiel – Hamburg: „Sagt mal, wo rudern wir dort eigentlich? Liegt Emden nicht an der Ems?“ „Tja, so genau wissen wir das auch nicht, aber Silvia aus Emden wird uns schon das Ruderrevier nahe bringen“.

Strecke Hamburg – Bremen (auf dem Fußboden sitzend – Platzreservierung muss ja nicht unbedingt sein, wir sind doch jung!) „Übrigens werden wir schon in Leer abgeholt, Sonka wohnt und rudert dort. Leer und Emden sollen gar nicht weit auseinander liegen. Liegt Leer auch an der Ems?“

Strecke Bremen – Leer: „Ich hätte nie gedacht, dass Bad Zwischenahn in diesem Teil Deutschlands liegt, ihr?“

Mit anderen Worten, unsere Heimatkunde-Kenntnisse sind über Schleswig-Holstein hinaus mangelhaft. Da hilft so eine Tour über die Landesgrenzen wirklich den Horizont zu erweitern!

Nach 4 Stunden abwechslungsreicher Zugfahrt wurden wir freudestrahlend in Leer, wie angekündigt, von Sonka in Empfang genommen. Eine kurze Fahrt durch die Altstadt von Leer vermittelte den ersten Eindruck: hier gefällt es uns. Rudern in Leer ist leider nur beschränkt möglich. Es sind nur ca. 8 km tidefreie Gewässer zum Rudern geeignet, alle anderen Strecken können nur per Schleuse erreicht werden und sind tideabhängig.

Also auf nach Emden.

Genauso freudestrahlend begrüßte uns dort Silvia. Beide Organisatorinnen hatten für bestes Wetter gesorgt, so dass das Kennenlern-Kaffeetrinken mit den beiden Emderinnen Anita und Frauke auf der schönen Terrasse bereits zum ersten von vielen weiteren Highlights wurde.

Die Antworten unserer Fragen erhielten wir nun am Nachmittag beim ersten Ausflug: Stadtgraben, Tiefen und Kanäle ergeben ein traumhaftes Ruderrevier. Ungestört von Dampferwellen, Wind und Tide kann man in fast alle Himmelsrichtungen rudern – ein bisschen neidisch sind wir schon! Wir genießen diesen entspannten Nachmittagsausflug in vollen Zügen, fallen anschließend über die herzhafte im Bootshaus servierte Suppe her und begrüßen mit lautem Hallo die beiden Berlinerinnen Ingrid und Gabi.

Jetzt heißt es für mich nur noch staunen: hier trifft sich eine Gemeinschaft von Wanderruderinnen unterschiedlichen Alters, die in regem Austausch von ihren beeindruckenden Wanderfahrten-Erfahrungen der letzten Jahre und manchmal auch Jahrzehnte erzählen. Es geht um phantastische Rudergegenden, Umgang mit schwierigen Situationen, manchmal auch menschlichen Stärken und Schwächen, eben um alles das, was für uns das Besondere am Rudersport ist.

Ingrid dokumentiert dieses für mich am folgenden Morgen richtig klasse beim Umziehen für den Tagesausflug: „Ach übrigens, ich habe etwas gekramt und dieses Ruderhemd für heute ausgewählt mit der Aufschrift – Wanderrudertreffen Emden 1997-“. Wenn das nichts ist!

Nun soll es also losgehen auf die große Rundtour. Silvia ist irgendwie ziemlich aufgeregt: „Ich weiß gar nicht, ob er uns durchlässt, schließlich muss er ja nicht, aber wenn ich ganz nett bin, wer weiß?“. Noch ein Rätsel? Es geht um die direkt vor dem Ruderclub liegende Kesselschleuse und die Matjestage. Immer noch unklar? Also: wir sind nicht am Muttertag sondern zu den Emder Matjestagen in der Stadt. Das wiederum bedeutet Hochbetrieb auf allen Gewässern rund um Emden und somit Vorfahrt für alle Ausflugsschiffe, die in den Emder Hafen wollen. Die Kesselschleuse wiederum ist hierfür der Dreh- und Angelpunkt. Für alle, die, wie wir unerfahrenen Nordlichter, nicht wissen was das ist, sei kurz erklärt: bei der Kesselschleuse handelt es sich um eine Kreuzung von 2 Tiefen bzw. Gräben. Sie hat also 4 Eingänge in den kreisrunden Kessel in der Mitte, mit entsprechenden 4 Vorschleusen. Es besteht die Möglichkeit geradeaus zu fahren oder aber nach rechts oder links abzubiegen. Wie man sich unschwer vorstellen kann, ist dafür von dem Schleusenwärter eine gute Planung erforderlich, da die Schleusungsvorgänge ihre Zeit in Anspruch nehmen. Tja, und nun zu den Matjestagen auch noch die Ruderfrauen, die doch einfach nur mal eben gerade aus durch den Kessel wollen und eben nicht zum Matjes!

Aber Silvias Charme macht es möglich: „Schnell in die Boote, er lässt uns durch!“. Zehn kraftvolle Schläge Anlauf nehmen, Ruder lang, drei dicke Schläge im Kessel, Ruder lang, ein aufmunternder Zuruf vom doch netten Schleusenmann und wir sind durch!

Nun kann das Genussrudern auf dem Ems-Seiten-Kanal bis Oldersum beginnen. Sonne, leichter Wind, Kühe und Vögel begleiten uns auf unserem Weg, Picknick zur Stärkung mit allem, was wir uns nur wünschen, wird uns in der Mittagspause von unseren beiden „guten Feen“ aufgetischt – ach, kann Frauenrudern schön sein!

Der Rückweg über das Oldersumer und Fehntjer Tief erfordert noch ein klein wenig Einsatz in Rückenlage. Die Tiefs sind nicht nur manchmal schmal, nein auch die Brücken flach. So gilt das Kommando: „Köpfe nach hinten wegduken“, dabei vielleicht doch lieber die Augen zu, sonst haben wir Angst um unsere Nasenspitzen!

Auch die Rückkehr durch die Schleuse funktioniert problemlos. Somit können wir den Abend mit einem Rundgang durch den Emder Binnenhafen mit dem Jubel und Trubel der Matjestage genießen, Gedanken an die Kieler Woche sind noch fern.

Sonntag kommen die ersten wehmütigen Abschiedsgedanken, Emden macht es uns nicht leicht. Die Strecke nach Hinte ist so wunderschön – „Schau dieses Grundstück!“ „Nein das Haus mit dem Garten, ach und das Ruderboot gleich im Garten“. Silvia berichtet, dass mancher Ostfriese für den Ruhestand nach Ostfriesland zurückkehrt, wir können es gut verstehen. Auch wir überlegen schon, wann wir die nächste Reise hierher antreten. Es muss ja nicht nur zum Rudern sein. Maren plant schon eine Radtour für diesen Sommer.

Jetzt ist es tatsächlich fast soweit. Mit einem krönenden, reichhaltigen sehr leckeren Matjesessen im Boosthaus beenden wir die diesjährige „Muttertagstour“ und vereinbaren, uns im nächsten Jahr voraussichtlich in Berlin der Organisation von Ingrid und Gabi anzuvertrauen.

Wir vier Kieler Germaninnen lassen diese schöne Fahrt endgültig ausklingen auf der Strecke Hamburg-Kiel. Wir haben tatsächlich Sitzplätze ergattert und können nun unseren Kiel-Emden-fast-nach-Kiel transportierten Bettkantenwein, aufgeteilt auf drei Becher, in kreisender Weise leeren.

So ein Muttertag….ist doch schön.

Ein ganz herzliches Dankeschön zum Schluss an die beiden Ostfriesinnen Sonka und Silvia, die uns so hervorragend betreut und verwöhnt haben. Wir kommen bestimmt mal wieder!